Rezension „Ökonomie der Fürsorge. Warum wir Wohlstand, Gesundheit und Arbeit neu denken müssen"

Jackson, T. (2025): Ökonomie der Fürsorge. Warum wir Wohlstand, Gesundheit und Arbeit neu denken müssen. Degrowth statt Wirtschaftswachstum, Wohlfahrtsstaat vor Profit, Care und soziale Gerechtigkeit statt Patriarchat. München: oekom, 437 S., 28€.

Gesundheit und Ökonomie. Ein Reisebericht.

Seit der Pandemie erfreuen sich (populär)wissenschaftliche Veröffentlichungen zu Care zunehmender Beliebtheit. Care ist in Teilen des öffentlichen Diskurses angekommen, auch wenn die New Economy Szene genau wie die Politik das bisher nur am Rande wahrnehmen. Jetzt hat einer, dem man in Bezug auf Care nicht viel begegnete, seinen Hut in den Ring der Veröffentlichungen geworfen: Tim Jackson, britischer Ökonom, bekannt für seine erfolgreichen Werke in der Postwachstumsdebatte „Wohlstand ohne Wachstum“ (2017) und „Wie wollen wir leben? Wege aus dem Wachstumswahn“ (2021). Mit „Ökonomie der Fürsorge. Warum wir Wohlstand, Gesundheit und Arbeit neu denken müssen“, herausgegeben von der Heinrich-Böll-Stiftung und erschienen 2025 im Oekom-Verlag, betritt Jackson für sich selbst thematisches Neuland. Beim Berliner Buchlaunch im April 2025 erzählte er, das Buch sei vor allem eine Forschungsreise für ihn selbst gewesen. Einer sehr persönlichen Reise, ist man versucht zu ergänzen, denn die Frage nach dem Neuigkeitswert für die fachlich interessierte und belesene Öffentlichkeit ist nicht ganz leicht zu beantworten.

Eine Reise beginnt inmitten der Pandemie

Veröffentlichungen über Care-Ökonomie gibt es seit Jahrzehnten (Federici 1975; Werlhof et al. 1983; Fisher und Tronto 1990; Folbre 2001 uvm.). Bisher wurde diese Literatur zu einem großen Teil von Frauen geschrieben, also von Personen, die von der mit Care-Arbeit einhergehenden Beeinflussung von Lebens- und Erwerbsbiografien betroffen waren. Laut Jackson inspirierte ihn die Coronapandemie zur ursprünglichen Idee, Fürsorge als ein Organisationsprinzip der postpandemischen Wirtschaft zu positionieren (36). Aufgrund des Ukrainekriegs sei er jedoch davon abgekommen, da er beim Schreiben gemerkt habe, dass es Zeit sei, der Realität ins Auge zu blicken (36). Die bestünde aus Gewalt und Aufrüstung, ein Buch über eine postpandemische Wirtschaft mit Fokus auf Care würde nur auf taube Ohren stoßen. Dass es der Kern von Care ist, unter prekären Umständen auch in diesen Realitäten benötigt zu werden und deswegen Care-Arbeitende in einem Moment von Krieg und Aufrüstung eine starke ökonomische Fürsprache gebraucht hätten, kam ihm anscheinend nicht in den Sinn.

Doch zurück zur Reisemetapher, die Jackson selbst ausführlich gebraucht. Eine Reise ist es wahrlich! Ein anekdotenreicher Ritt auf 437 Seiten, dem ein straffes Lektorat gutgetan hätte. Als Leser*in folgt man Jackson auf seinen mäandernden Erkundungen durch Europa. Was für eine kurz zu haltende Rezension, die eigentlich nur den Roten Faden und die Kernthesen wiedergeben möchte, zu einer Herausforderung wird. Zumal die Rezensentin Politökonomin mit dem Fokus auf Care-Arbeit ist und sich während der Lektüre dachte, dass eine Medizinhistorikerin zeitweise eine bessere Beurteilung hätte bieten können. Was leider schon viel über die Kluft zwischen Buchtitel- und Anspruch und dem eigentlichen Inhalt aussagt. Wie Jackson selbst anfangs zugibt, sei das Buch ein bisschen vom ursprünglichen Kurs abgekommen. Das ist bei Schreibprozessen nichts Ungewöhnliches, aber es wäre schön gewesen, dieser Kurswechsel hätte sich auch im Titel gezeigt. Das Buch hätte passender Ökonomie der Gesundheit geheißen, und nicht maximal beanspruchend Ökonomie der Fürsorge.

Gesundheit und Care als Fundament von Wirtschaft

Zu Beginn macht Jackson seine zwei zentralen Thesen deutlich. Die eine besagt, dass menschlicher Wohlstand in erster Linie mit Gesundheit zu tun habe und nicht mit Reichtum (23). Die zweite, dass sich Wirtschaft deswegen zuallererst um Care in allen ihren Formen kümmern solle, anstatt auf unablässiges Wachstum zu setzen (23). Jackson möchte Wirtschaft als Care betrachten. Auch das ist nicht neu, sondern wurde von Generationen feministischer Ökonom*innen bereits so postuliert, nicht zuletzt in dem Essay „Wirtschaft ist Care“ von Ina Praetorius (2015), ebenfalls von der Heinrich-Böll-Stiftung herausgegeben. Für seine Thesen definiert Jackson zunächst die Begriffe Gesundheit und Care. Für ersteren nutzt er die Definition der WHO, dass Gesundheit „ein Zustand von vollständigem physischem, geistigem und sozialem Wohlbefinden“ sei, der sich „nicht nur durch die Abwesenheit von Krankheit und Behinderung auszeichnet.“ (26). Die Care-Definition übernimmt er vom Klassiker der Care-Literatur, dem Werk von Berenice Fisher und Joan C. Tronto: „Care ist eine Tätigkeit, die alles umfasst, was wir tun, um unsere Welt zu bewahren, fortzuführen und zu reparieren.“ (26) Care ist für Jackson ein Akt der Wiederherstellung, wobei er sich nicht auf die eindeutigen Parallelen dazu in der marxistischen Theorie bezieht, die Care-Arbeit als Reproduktion bezeichnet. Für Leser*innen ist damit der gesamte deutschsprachige Debattenstrang unsichtbar gemacht, der erstens von der Produktion des Lebens spricht (Werlhof et al 1983), zweitens die Nutzung des Begriffes Reproduktion kritisiert, weil dieser geschlechterhierarchische Dualismen produziere (Biesecker und Hofmeister 2013) und drittens dafür plädiert, eine Differenzierung von Reproduktionsarbeit und generativer Arbeit vorzunehmen (Haidinger und Knittler 2016).

Sind die Thesen einmal in der Welt, begibt sich Jackson auf die Reise, u.a. mit der Frage im Gepäck, „wenn Fürsorge eine so offensichtliche Grundlage für unser Wohlergehen ist, wie konnte sie dann vom Wachstum dermaßen an die Seite gedrängt werden?“ (396). Als mitlesende Reisebegleitung kann man das eigene Allgemeinwissen auf faszinierende Weise erweitern, kommt jedoch nicht umhin, sich zu fragen, was ein Großteil der besuchten Stationen mit den Thesen zu tun hat.

Profit und Fürsorge passen nicht zusammen

Man begleitet Jackson zunächst, wie er in einem walisischen Krankenhaus seinen verletzten Fuß behandeln lässt, weil er über eine Katze gestolpert ist. Dann taucht man mit ihm in die Entstehung des Opiumhandels, der modernen Schmerzmittelindustrie und des Drogenmissbrauchs ein, sitzt lange mit ihm an einem walisischen Strand, meditiert über die Balance des Lebens und erfährt eine Menge über die Reaktion des Körpers beim Eisbaden (72). Es folgt ein Abstecher zu Goethe und Heidegger (113) und eine Recherche auf den Spuren des britischen Gesundheitssystems NHS im walisischen Städtchen Tredegar (121). Während man Jackson anschließend bei einem Spaziergang durch Paris begleitet, lernt man eine Menge über die verschiedenen Typen der Diabetes-Erkrankung, über die Insulinkriege als auch über die Hauptrisikofaktoren und Ursachen dieser Zivilisationskrankheit, die im westlichen Lebensstil verankert sind. Man erfährt, wie bei Jackson selbst Diabetes diagnostiziert wurde. Wenn Jackson beschreibt, wie die eigene Erkrankung sein Misstrauen gegenüber der Pharmaindustrie stärkte, nähert man sich langsam dem starken Teil des Buches: „Allmählich begann ich mich zu fragen, wie viel von dem, was wir als Care bezeichnen, wirklich Care ist. Wie viel von dem, was wir tun, darauf abzielt, […] die Signale des Körpers zu ignorieren. [Und] uns nicht vor dem profitgierigen Mechanismus des Marktes zu schützen.“ (202) Jackson zeigt auf, wie der heutige westliche Lebensstil im Kapitalismus mit Zeitknappheit und industrieller Lebensmittelherstellung zu einer Reihe zivilisatorischer Krankheiten führt. Dazu gehören Herz-Kreislauf-Krankheiten, Krebserkrankungen und eine steigende Anzahl an Diabetes-Erkrankungen, weil überall so viel Zucker in unserer Ernährung sei. Doch anstatt an den Wurzeln anzusetzen, den Stress zu reduzieren, die Schnelllebigkeit und die Arbeitsbedingungen zu verbessern, würden von der Pharmaindustrie Medikamente produziert, die wiederum die Probleme kosmetisch heilen sollen. Es würden Milliarden in Medikamentenforschung gesteckt, um Krankheiten zu „heilen“, die sich durch eine Umstellung des wirtschaftlichen Systems möglicherweise viel grundsätzlicher beheben ließen: „Unsere Volkswirtschaften basieren quasi auf diesem dysfunktionalen Arrangement. Wir sollen glauben, dass wir uns die Gesundheitsfürsorge, die uns retten soll, nur leisten können, wenn wir eine Wachstumswirtschaft unterstützen, die uns schadet.“ (205) Das auf Wachstum basierende Wirtschaftssystem sei es, das uns krank mache. Wenn auch diese Erkenntnis nicht neu ist, kommt an dieser Stelle Jacksons wachstumskritischer Scharfsinn für eine fundierte Argumentation zum Einsatz.

Medizinische Meinungskämpfe und die Konsequenzen für Gesundheitspolitik

Und schon geht es weiter mit der Reise. Jackson arbeitet sich kritisch an der Lebensmittelindustrie ab (217) und begleitet dann die Krankenpflegerin Florence Nightingale im Jahre 1854 auf die Krim und zurück (224). Man segelt mit ihm und seinem Bruder vor der britischen Küste bei Chichester Harbour (233) und erlebt, wie dort Fäkalien ins Meer umgeleitet werden. Das führt ihn zu Überlegungen, dass Krankheit selbst ein wiederherstellender Prozess sei (227, 237) und kommt zum zweiten wirklich starken Moment des Buches: der medizingeschichtlichen Auseinandersetzung mit zwei parallel entwickelten Heilungskonzepten, von denen nur eins den systemischen Sieg davontragen sollte: der Terrain- und der Keimtheorie. Die Terrain-Theorie bezieht für Gesundungsprozesse die Umwelteinwirkungen mit ein, setzt auf soziale Reformen und den Ausbau von Infrastruktur, wie beispielsweise die Einführung von Abwasserkanälen in den Städten der Industrialisierung zu einem Rückgang von Infektionskrankheiten führte (259, 271). Die Terrain-Theorie wurde laut Jackson als Komplementär- und Alternativmedizin diffamiert. Die Keimtheorie hingegen heile, indem sie Keime identifiziere und eliminiere und wurde zu dem, was man heute unter Schulmedizin oder wissenschaftlicher Medizin versteht. Jackson identifiziert für den einseitigen Siegeszug der Schulmedizin wirtschaftliche Machtinteressen. Die Keimtheorie habe damals „die ‚Unterstützung der amerikanischen Wirtschaftselite‘ [erhalten], weil sie ‚eine Erklärung für die Ursachen, Prävention und Heilung von Krankheiten bot, die der Weltanschauung des industriellen Kapitalismus bemerkenswert ähnlich war.“ (276) Er macht deutlich, wie gefährlich es ist, angesichts der zunehmenden Resistenzen gegen Antibiotika stur an einem wirtschafts- und machtpolitisch gesetztem medizinischen Rahmen des 19. Jahrhunderts festzuhalten (270). Diese ökonomische Machtanalyse und wachstumskritische Perspektive auf die Entwicklung des Gesundheitssystems ist erhellend. Sie zeigt, dass hilfreiche und massentaugliche Lösungen gegen zunehmende Resistenzen, etwa bei Antibiotika, auch aus wirtschaftspolitischen Gründen verhindert werden (264-278).

Exkursionen und ein patriarchaler Versuch der Patriarchatskritik

Weiter geht’s auf dem Europatrip, nach Stonehenge zu fiktiven Begegnungen mit den griechischen Gottheiten Asklepios und Hygieia und dem Theoretiker der sogenannten baumolschen Kostenkrankheit, William Baumol (312). Danach reist man mit Jackson in eine Hochmoorlandschaft in Cornwall. Es folgt ein langer literarischer Exkurs über die Werke der 1989 verstorbenen britischen Schriftstellerin Daphne du Maurier. Leicht ermüdet von diesem Ausflug, erhellt sich die Miene, wenn Jackson eine Romanfigur von Daphne du Mauriers nutzt, um endlich (!) und leider erst auf Seite 334 erwähnt, dass drei Viertel der unbezahlten Arbeit und zwei Drittel der bezahlten Arbeit weltweit von Frauen geleistet werden. Die Personen, die Sorgearbeit ausführen und deswegen unter existenziellen Diskriminierungen leiden, sind nicht der Fokus dieser spezifischen Ökonomie der Fürsorge. Im darauffolgenden Kapitel 12, das popkulturell anbiedernd mit einem Zitat von Taylor Swift betitelt wurde („Fuck the patriarchy“), wird es unangenehm. Bei dem Versuch, die Ursachen für die Misere von Fürsorge im Patriarchat wiederzugeben, bezieht Jackson sich sporadisch auf einzelne Theoretiker*innen und bedient sich dabei vor allem essentialistischer Argumente zu Verhaltensunterschieden von Männern und Frauen. Es gibt keine Erwähnung von konstruktivistischen Theorien, die besagen, dass Geschlecht gesellschaftlich hervorgebracht wird (bspw. Butler 1990) – und damit die Möglichkeit zu gesellschaftlicher Veränderung besteht.

Letzte Reisestation ist dann ein Exkurs zum Untergang eines Schiffes vor Cornwalls Küste im Oktober 1898 und der Schlussfolgerung von Jackson, dass der Kapitalismus selbst die Krankheit sei, die Teil eines Wiederherstellungsprozesses hin zur Gesundheit ist: „Was ist der Heilungsprozess, bei dem der Kapitalismus eine Rolle spielt?“ (388)

Am Ende der Reise spricht er sich für eine Vision aus, in der „Fürsorge – und nicht die rastlose Expansion – das zentrale Organisationsprinzip [des Wirtschaftssystems] ist.“ (394) Der Frage nach der Transformation hin zu diesem Organisationsprinzip widmet er am Ende nur ein einziges Kapitel, das halb so lang wie die anderen ist. Die Vorschläge sind in knapper Sprache und oft nur in Spiegelstrichen präsentiert, was nach all den großzügigen Seiten für Nebenschauplätze eine merkwürdige inhaltliche Gewichtung darstellt.

Zusammenfassung und Kritik

Was ist das Ergebnis dieser Reise? Dass Wirtschaft Care ist, dass Menschen von Anfang an abhängig sind von anderen, dass es nötig ist, das Care-Prinzip auf jedes wirtschaftliche Handeln anzulegen! Aber Jackson führt diese Punkte kaum aus, sondern widmet sich oft Landschaftsbeschreibungen und thematischen Exkursen. Ob er sich einen Gefallen getan hat, seine Argumentation in Reisestationen zu verpacken? Das Buch liest sich leicht, hat aber sehr viele Redundanzen. Die Kern-Inhalte gehen unter in den mäandernden Anekdoten. Der große Wurf, den der Titel verspricht, ein Buch über dieÖkonomie der Fürsorge, bleibt aus. Zu viele Perspektiven fehlen, zu wenig wird gesagt über die Folgen dieser wirtschaftlichen Arbeitsteilung, die Unterdrückung, die nicht nur Frauen betrifft, sondern alle Personen, die in der westlichen Weltordnung nicht auf der obersten Hierarchiestufe stehen.

Auffällig ist, dass Jackson gegen Ende des Buches viele weibliche Autor*innen aufzählt, deren Vermächtnis er vermeintlich anerkennt (423), seine eigene Argumentation jedoch vorrangig auf männlichen Autoren aufbaut. So geht er intensiv auf die Arbeit des Ökonomen William Baumol ein, erwähnt jedoch mit keinem Wort die explizit care-ökonomische Weiterentwicklung dieser Theorie durch die feministische Ökonomin Susan Donath (2000). Er bezieht sich zudem hauptsächlich auf Veröffentlichungen aus dem angloamerikanischen Raum und blendet damit ein Großteil existierender Literatur aus, bspw. Deutsch- und Spanischsprachige Texte (Precarias a la Deriva 2004; Knobloch 2019). Auch fehlt ein Verweis auf wegweisende Veröffentlichungen zu den Auswirkungen der Klimakrise auf Care-Arbeit (MacGregor et al. 2022). Weiters fehlen Perspektiven aus dem Globalen Süden (bspw. Darkwah/ Nawi Afrifem Collective o.J.) oder zum Zusammenhang von Eigentum, Rassismus und Sorgearbeit (bspw. Fraser 2022)

Jackson spricht immer wieder von einem Wir, mit dem nur der weiße, bürgerliche Mann gemeint sein kann. So auch am Ende, im letzten Satz: Das Prinzip der Fürsorge zu nutzen, um sich mit der dualen Gesellschaftsstruktur auseinander zu setzen und sich letztlich daraus zu befreien, bezeichnet er als „eine Reise, auf der wir die ersten zögerlichen Schritte gerade erst gegangen sind.“ (437) Dieser Satz ist Hohn für die Kämpfe von Frauen und Marginalisierten, die diese Schritte seit Jahrhunderten in aller Entschiedenheit und mit großen persönlichen Opfern gegangen sind und gehen, um eine Befreiung aus der binären Ordnung zu erkämpfen, deren Erfolge es heute gegenüber dem globalen Rechtsruck zu verteidigen gilt.

Eine kritische Diskussion wäre außerdem über Jacksons These zu führen, dass Krankheiten als ein Wiederherstellungsprozess für Gesundheit gesehen werden könnten. Aus der Perspektive der Disability Studies (bspw. Garland Thomson 1997) schließt das die Lebensrealitäten von Menschen aus, für die eine komplette Wiederherstellung der Gesundheit nicht möglich ist, wie beispielsweise chronisch erkrankte Long Covid Patient*innen. Geht es bei Fürsorge nicht vielmehr um Teilhabe und Ausrichtung an den Bedürfnissen der einzelnen Menschen als um die Wiederherstellung einer Gesundheitsnorm, die manche Körper nicht erreichen können?

Wer also das sucht, was draufsteht: eine fundierte und umfassende Auseinandersetzung mit der komplexen Thematik Care-Ökonomie, dem seien die nach wie vor hochaktuellen Klassiker und neuere Publikationen wie Unter Wert von Emma Holten (2025) oder Decolonizing Feminist Economics. Possibilities for Just Futures von Gisela Carrasco-Miró(2025) empfohlen.

Wer Tim Jacksons frühere Arbeiten und seine scharfsinnige Wachstumskritik schätzt, viel Zeit hat für eine Lektüre mit persönlichen Einsichten in sein Leben, in Pariser Straßenszenen, Segeltouren vor der südenglischen Küste, ausufernde Literaturzusammenfassungen und einer umfassenden Erweiterung des anekdotischen Allgemeinwissens, dem*der kann die Lektüre dieses Buches möglicherweise eine Freude bereiten.

Tipps zum Weiterlesen

Carrasco-Miró, G. (2025): Decolonizing Feminist Economics. Possibilities for Just Futures. Bristol: University Press.

Holten, E. (2025): Unter Wert. Warum Care-Arbeit seit Jahrhunderten nicht zählt. München: dtv.

Meier-Gräwe, U./Praetorius, I./Tecklenburg, F. (2023): Wirtschaft neu ausrichten. Care-Initiativen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Opladen: Verlag Barbara Budrich.

 

Bennholdt-Thomsen, V. (1981): Subsistenzproduktion und erweiterte Reproduktion: Ein Beitrag zur Produktionsweisendiskussion. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

Biesecker, A./Hofmeister, S. (2013): Zur Produktivität des ‚Reproduktiven‘. Fürsorgliche Praxis als Element einer Ökonomie der Vorsorge. Feministische Studien 2, S. 240-252.

Butler, J. (1990): Gender Trouble: Feminism and the Subversion of Identity. London: Routledge.

Darkwah, A. K. (o.J.): Reflections on the Care Economies of Africa. https://www.nawicollective.org/written-resources

Donath, S. (2000): The Other Economy: A Suggestion for a Distinctively Feminist Economics, Feminist Economics, 6:1, S. 115-123, DOI: 10.1080/135457000337723

Federici, S. (1975): Wages Against Housework. Bristol: Power of Women Collective and the Falling Wall Press.

Fisher, B./Tronto, J. C. (1990): Towards a Feminist Theory of Caring. In: Abel, E. und M. Nelson. Circles of Care: Work and Identity in Women’s Lives. New York: University Press.

Folbre, N. (2001): The Invisible Heart. Economics and Family Values. New York: The New Press.

Fraser, N. (2022): Cannibal Capitalism. How Our System is Devouring Democracy, Care, and the Planet – and what we can do about it. London: Verso.

Garland Thompson, R. (1997): Extraordinary Bodies. Figuring Physical Disability in American Culture and Literature. Columbia University Press.

Haidinger, B./Knittler, K. (2016): Feministische Ökonomie. Eine Einführung. Wien: mandelbaum.

Knobloch, U.(2019): Ökonomie des Versorgens: Feministisch-kritische Wirtschaftstheorien im deutschsprachigen Raum. Weinheim: Beltz/Juventa.

MacGregor, S./Arora-Jonsson, S./Cohen, M. (2022): Caring in a changing climate: Centering care work in climate action. Oxfam Research Backgrounder series: https://www.oxfamamerica.org/explore/research-publications/caring-in-a-changing-climate/

Praetorius, I. (2015): Wirtschaft ist Care. Oder: Die Wiederentdeckung des Selbstverständlichen. Berlin: Heinrich Böll Stiftung.

Precarias a la Deriva (2004): a la deriva. por los circuitos de la precariedad feminina. Madrid: Traficantes de Sueños.

Von Werlhof, C./Mies, M./Bennholdt-Thomsen, V. (1983): Frauen, die letzte Kolonie. Hamburg: Rowohlt.


Feline Tecklenburg ist Politökonomin mit einem Schwerpunkt auf der Verbindung von Ökonomie und Care(-Arbeit). Sie ist geschäftsführende Co-Vorständin der Denk- und Handlungswerkstatt Wirtschaft ist Care und forscht an der Universität Paderborn zur Rolle von Care in zukunftsfähigen Wirtschaftsmodellen.

www.felinetecklenburg.com
Instagram: @felinetecklenburg, @economyiscare

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