Rezension „Der neue sozial-ökologische Klassenkonflikt"

Eversberg, D., Fritz, M., von Faber, L., Schmelzer, M. (2024): Der neue sozial-ökologische Klassenkonflikt. Mentalitäts- und Interessengegensätze im Streit um Transformation. Frankfurt und New York: Campus, 221 S.

Auch in Deutschland greift der Trend zu offensiveren Spielarten eines klimapolitischen Obstruktionismus (Ekberg et al. 2022) seit der Pandemie um sich. In Wahlkämpfen wird die Ansprache von Umwelt- und Klimathemen gerade von jenen gemieden, die dazu progressive Positionen vertreten, während die in der Bevölkerung um 2018 herum bestehenden Mehrheiten für eine übergeordnete Berücksichtigung von Umwelt- und Klimaschutz in der Landwirtschafts-, Städtebau- und Verkehrspolitik rapide schwinden (Grothmann et al. 2023: 23; in den mir als UBS-Beiratsmitglied einsichtigen Daten der neusten Studie aus 2024 beschleunigen sich diese Trends weiter). Im OECD-Vergleich unterstützen die Deutschen einige ökologische Maßnahmen wie grüne Infrastrukturprogramme oder Verbrennerverbote sogar unterdurchschnittlich (Dechezlepretre et al. 2022: 22). Gleichzeitig sind eine Trendumkehr bei den in den Nuller- und Zehnerjahren deutschlandweit abgesunkenen demokratieskeptischen bis -feindlichen Einstellungen sowie eine neue Öffentlichkeitsfähigkeit persistierender chauvinistischer und gruppenbezogen menschenfeindlicher Ressentiments zu beobachten (Decker et al. 2022: 44-50). Homogene soziale Netzwerke segregieren sich entlang des Grüne-AfD-Gegensatzes und tragen zu einer affektiven Polarisierung im Politischen bei (Teichler et al. 2023: 33f., 93f.). Letztere wird lediglich durch die Übertreibungen gewiefter Polarisierungsunternehmer*innen erzeugt, die sich eine bei unteren sozialen Schichten ausgeprägte(re) „Veränderungserschöpfung“ zunutze machen und denen es gelingt, durch das geschickte rhetorische Bündeln und Bewirtschaften ansonsten diffus bleibender Entgrenzungs- und Traditionsverlustbefürchtungen tatsächlich vorhandene Grundkonsense zu übertönen (Mau et al. 2023): Diese Zeitdiagnose büßt, kaum ist sie gestellt, angesichts der enormen Dynamik aktueller Entwicklungen an Plausibilität bereits drastisch ein.

Hier setzen Dennis Eversberg und seine Kolleg*innen von der Universität Jena mit ihrer theoretisch anspruchs- und empirisch gehaltvollen sowie eloquent und flüssig geschriebenen Studie an, die – diese Bemerkung sei gleich zu Anfang gestattet – auf den Schreibtisch jedes sozialökologisch interessierten Sozialwissenschaftlers und jeder reflektierten Umweltpolitikerin gehört. In Bourdieuscher Manier fragt die Studie nach Zusammenhängen von Sein und Bewusstsein, die weder deterministisch allein von der Seite der Sozialstruktur her zu erklären noch befriedigend aufzulösen sind in das Spiel von „diskursiven Konjunkturen oder Krisen“ (S. 70). Sie macht damit all jenen ein Orientierungsangebot, die sich fragen, welche Motive eines sachangemessenen Umgangs mit den ökologischen Herausforderungen in unserem Land (und wohl auch in anderen westlichen Gesellschaften) bei welchen Teilen der Bevölkerung überhaupt noch auf ein Entgegenkommen hoffen dürfen. Gerade weil die Wissenschaftler*innen sich auf relativ ‚alte‘ Umfragedaten aus der Zeit unmittelbar vor dem Ukrainekrieg stützen, auf geringfügig ältere Daten also als Mau und Kollegen in ihrer vielrezipierten Triggerpunkte-Studie, können sie glaubhaft dem bei retrospektiver Befassung mit dieser Studie sich aufdrängenden Eindruck entgegenwirken, vor wenigen Jahren noch habe es einen in der Bevölkerung stabil verankerten Klimakonsens gegeben. Die „ökologische Klassenfrage im Werden“ (Mau et al. 2023: 220) wird, das können Eversberg und Kolleg*innen mithilfe ihrer Datenexplorationen (Hauptkomponenten- und Clusteranalysen; S. 88ff.) zeigen, nicht bloß durch Distinktionsgebärden gut situierter ‚Ökos‘ affektiv angeheizt und betrifft auch nicht nur die innergesellschaftliche Verteilung von Transformationskosten.

Der um solche Kosten sich drehende „Veränderungskonflikt“, wie ihn die Autor*innen nennen, ist einer zwischen der „abtrakte[n] Orientierung am langfristigen Überlebensinteresse“ und „einem Festhalten am bisher Gewohnten“, das sich „aus der konkreten Angewiesenheit auf einen bestimmten Arbeitsplatz oder auf konstante Benzinpreise … ergibt“ (S. 168). Diese Angewiesenheit spüren etwa ältere, geringverdienende Arbeitnehmer*innen in bestimmten Dienstleistungsbranchen, die sich durch die allgemeine Qualifikationsentwicklung abgehängt sehen und im von Politik und Gesellschaft stark abgewandten Mentalitätstyp der sog. „Zurückgezogenen Notwendigkeit“ konzentrieren (S. 109) – aber auch Menschen mit moderatem Einkommen in Büroberufen oder vom Typus „Hausfrau/-mann“, deren sog. „Harmonistischer Konformismus“ zum Zeitpunkt der Studie eher klassischen FDP-Positionen zuneigt (S. 101f.). Ähnlich wie Mau und Kollegen halten die Jenaer Autor*innen den Veränderungskonflikt um Kosten und Geschwindigkeit des Strukturwandels für zwar in realen lebensweltlichen Erfahrungen begründet, aber auch für medial und politisch aufgeputscht. Diese Vermutung ist plausibel, auch wenn sie dem eigenständigen Effekt entlang des medial induzierten Grüne-AfD-Gegensatzes sich scheidender Bekanntenkreise, von dem eingangs die Rede war und der in der Studie nur einmal kurz erwähnt wird (S. 35), womöglich nicht genug Beachtung zollt. Dies kann sie auch deshalb nicht, weil durch die Umfrage keine sozialen Netzwerke untersucht wurden (von Faber/Fritz 2023: 60-75); wie meist in der Einstellungs- und auch Lebensstilforschung handelt es sich bei den „Mentalitäten“, die im Zentrum dieser Studie stehen, um entlang ihrer Ähnlichkeiten in Lebenslage und Einstellungen aggregierte, abstrakte Gruppen von Individuen.

Das durch das Aufputschen des Veränderungskonfliktes um die ökologische Transformation  veranlasste Zusammenrücken eines eminent bürgerlichen, „konservativ-steigerungsorientierten“ Spektrums, zu dem der eben erwähnte konformistische Mentalitätstyp gehört, mit einem im sozialen Status zurückgesetzten „defensiv-reaktiven“ Spektrum birgt in den Augen von Eversberg und Kolleg*innen erhebliche „demokratiepolitische Risiken“; es droht ein Bündnis zwischen „Besitzinteressen … und … radikale[m] anti-gesellschaftlichen Affekt“ (S. 169, 171). Diese Formulierung wirft auf die Diskussionen um Rechtspopulismus, bröckelnde ‚Brandmauern‘ usw. insofern ein scharfes Licht, als sich in jenem steigerungsorientierten Spektrum nicht nur kleinbürgerliche Mentalitätsträger*innen wiederfinden, sondern zuvörderst auch Menschen in sehr hochqualifizierten, oftmals leitenden Dienstleistungsberufen, Selbstständige mit sehr hohem Einkommen usf. Ihr „Liberaler Wachstumsoptimismus“ (S. 97 ff.), der die Gewissheit beinhaltet, die Gesellschaft begreifen und gestalten zu können, steht zu den Ohnmachtsgefühlen im defensiv-reaktiven Spektrum eigentlich in schärfstem Gegensatz. Wenn sie gleichwohl mit diesem Spektrum in einer Ablehnung weitreichender Transformationen zu konvergieren drohen, so lässt sich das durch einen weiteren Gegensatz erklären – den zum dritten, dem sog. „ökosozialen“ Spektrum. In der klaren Herausarbeitung der beiden entsprechenden Konfliktlinien besteht das eigentliche Verdienst des Buches.

Zum einen handelt es sich dabei um einen in der Studie so bezeichneten „Abstraktionskonflikt“, der gerade schon kurz angeklungen ist. Er schwelt vor allem zwischen Gruppen mit hohem und niedrigem wirtschaftlich-kulturellen Kapital; Selbstwirksamkeits- und Überforderungserfahrungen stehen sich in ihm gegenüber. Dies hat eine eminent kognitive Dimension: Menschen mit niedrigerer Bildung und niedrigerem soziökonomischem Status bejahen nicht nur häufiger und stärker die Aussage „Es ist zwecklos, meinen eigenen Beitrag für die Umwelt zu leisten, solange andere sich nicht genauso verhalten“ oder machen sich stärkere „Sorgen, dass sich unser Leben in Deutschland zu sehr verändert“ (S. 133) – wozu sie in beiden Fällen angesichts ihrer geringeren beruflichen Flexibilität und ihres geringeren CO2-Fußabdrucks auch gute Gründe haben –, sondern sie engagieren und äußern sich auch weniger häufig politisch (S. 104, 106) und misstrauen öfter den Medien sowie der Wissenschaft (S. 133). Man muss bei dieser Analyse unwillkürlich an den in etlichen westlichen Ländern zu findenden, statistisch schwachen Zusammenhang zwischen selbstzugeschriebener „rechter“ politischer Orientierung und einem niedrigeren Vertrauen in Wissenschaftler*innen denken (Cologna et al. 2025). Der weniger direkte Zugang zu abstrakt-wissenschaftlichem Wissen wirkt der Jenaer Studie zufolge mit geringeren kulturellen und wirtschaftlichen Ressourcen zur Bewältigung aktualer und kommender Umbrüche insofern ungünstig zusammen (S. 149), als etwa die Klimaforschung sich ja „auf ein geradezu idealtypisches abstraktes Wissen [stützt], das nur mittels komplexer Einrichtungen und Verfahren zu gewinnen ist und dem nur das Vertrauen in diese Einrichtungen und Verfahren einen Wert zuschreiben kann“ (S. 134f., Herv. M. R.). Die Entfremdung von gesellschaftlichen Institutionen und das Abblenden von Komplexität fallen im Abstraktionskonflikt in eins; die ökologische Thematik erscheint lediglich als sein prominentestes, exemplarisches Opfer.

Dass zum anderen aber die Hochstatusgruppen des konservativ-steigerungsorientierten und des ökosozialen Spektrums in der ökologischen Krise nicht zueinanderfinden, hat dem klassenanalytischen Ansatz der Studie zufolge v. a. damit zu tun, dass die einen ihren Status auf Besitz, die anderen auf Bildung gründen. Die sozialstrukturellen Differenzen zwischen beiden Spektren sind weniger an (ähnlich hohen) Äquivalenzeinkommen und Bildungsabschlüssen festzumachen, als vielmehr an Faktoren wie Aktienbesitz und Wohneigentum auf der Seite des steigerungsorientierten sowie der Herkunft aus Akademikerfamilien und der Arbeit in entsprechenden Berufen, auch im öffentlichen Dienst bzw. generell „interpersonale[n] Tätigkeiten in vorwiegend öffentlich finanzierten Bereichen“, auf der Seite des ökosozialen Spektrums (S. 117, 138). Zwei der drei in diesem letztgenannten Spektrum verorteten Mentalitätstypen, die jungen und expansiv eingestellten „Progressiven Selbstverwirklicher“ und die etwas bescheidener lebenden, politisch besonders engagierten „Ökosozialen Aktivbürger*innen“, leben zudem besonders häufig in Großstadtzentren (S. 91-95). Zwischen ökosozialem und steigerungsorientiertem Spektrum prägt sich ein Konflikt besonders stark aus, den die Autor*innen als „Lebensweisekonflikt“ bezeichnen, weil Veränderungs- und Bewahrungsaffinität sowie egalitäre und hierarchische Gesellschaftsvorstellungen hier in einen Gegensatz geraten. Dieser Gegensatz wird aus einzelnen Items etwas spekulativ geschlossen (vgl. von Faber/Fritz 2023: 62); eine systematische Erhebung von Werteinstellungen fehlte im Fragebogen. Präziser wäre der Konflikt, den die Autoren als Gegensatz zwischen der Orientierung an öffentlich-allgemeinen und privat-partikularen Interessen beschreiben und für den in sozialökologischer Hinsicht etwa die Zustimmung oder Ablehnung des Autos als Freiheitssymbol und das Verhältnis zur umweltpolitischen Regulierung der Wirtschaft stehen (S. 140-142), wohl als „Gemeinwohlkonflikt“ adressiert.

Besonders gewinnbringend und ‚zielgruppengenau‘ wird die Lektüre des Buches auf der Ebene unterhalb der drei in dieser Rezension einigermaßen bündig zu reproduzierenden Spektren, also auf jener der zehn (in etwa gleich großen) Mentalitätstypen. So ist etwa die „Ökosoziale Reduktion“, obgleich dem ökosozialen Spektrum zugeordnet, als Mentalität relativ unabhängig von Bildungsabschlüssen und eher bei alten, am Rande von Städten lebenden Menschen ausgeprägt (S. 97); im Gemeinwohlkonflikt stellt diese im Status eher niedriger gestellte und gleichzeitig von Vermögen abhängigere Gruppe sich z. B. eher gegen die Regulierung der Wirtschaft, lebt aber von allen Gruppen am überzeugtesten „suffizient“, ja „antihedonistisch“ (S. 151). Der ihnen sozialstrukturell ähnliche, nur geringfügig schlechter gestellte sowie geringer qualifizierte Typus der „Öko-Konservativen“ wiederum teilt diesen Antihedonismus gar nicht und ist außerdem deutlich regulierungsfreudiger und wachstumsskeptischer als die anderen Mentalitäten im konservativen Spektrum (S. 99f.). Einen weiteren interessanten, problematischen Typus bilden die sog. „instrumentellen Wachstumsindividualist*innen“, jung, non-konformistisch und überdurchschnittlich häufig AfD-affin, die sich zwar im Abstraktionskonflikt klar gegen die gesellschaftlichen Institutionen abschotten, andererseits aber den Konformismus und die Veränderungsaversion anderer Gruppen im defensiv-reaktivem Spektrum nicht teilen (S. 103ff.) Die Autor*innen diskutieren jede dieser zehn Mentalitäten genauso ausführlich wie ihre Beweglichkeit in den von ihnen skizzierten Grundkonflikten.

Während die Lektüre der Kernbefunde und auch „politischen Schlussfolgerungen“ der Studie jedem gesellschaftspolitisch interessierten Zeitgenossen ans Herz zu legen sind – das Buch ist, wie gesagt, nicht nur sehr gut und eingängig geschrieben, sondern zudem über die Website des Verlages kostenfrei zugänglich – darf diese an Sozialwissenschaftler*innen gerichtete Rezension nicht ohne einen Hinweis auf den eingangs erwähnten theoretischen Anspruch schließen. Wie in der Bourdieuschen Tradition hier Einstellungsmuster mit verschiedenen sozialstrukturellen Merkmalen (von Alter über Einkommen bis Stadt vs. Land) kombiniert und innerhalb eines zweidimensionalen Raumes (Kapitalhöhe und Kapitalsorte) verortet werden, erinnert natürlich an das Vorgehen der sog. Milieuforschung etwa von SINUS oder sociodimensions, wobei in dieser Jenaer Studie eine Zentralstellung der Kapitalsorte (Bildung vs. Besitz als Grundlage von Status) erfolgt. Als Explanandum vor allem für den nur zaghaft sich manifestierenden „Lebensweise-“ (Gemeinwohl-) sowie für den politisch-medial eskalierenden Veränderungskonflikt wird diese Dimension analytisch produktiv. Aber warum eigentlich „Klassenkonflikt“?

Indem die Autor*innen von Klassen sprechen, versuchen sie, ihren sozialtheoretischen Erklärungsansatz tiefer zu legen: Es geht ihnen nicht nur um eine plausible Beschreibung der Datenlage, sondern auch darum, unser soziologisches Weiterdenken darüber anzuregen, wie sich Interessengegensätze in einem an seine ökologischen Grenzen stoßenden „flexibel-kapitalistischen Wachstumsregime“ weiterentwickeln und wie sie die individuell-mentale Positionierung beeinflussen bzw. mit dieser interagieren könnten (S. 60). Sie behaupten gerade nicht, bei den gefundenen Mentalitätsformationen handele es sich bereits um „Klassenmentalitäten“, sondern wollen es erlauben, „Klassenbildungsprozesse(n)“ nachzuspüren, für welche jene Formationen als „mentale Textur“ eines sozialen Raums im Umbruch Anhaltspunkte liefern können (S. 70). Dieser Ansatz ist erfreulich vor allem deshalb, weil er die Frage nach der möglichen „Entstehung einer ökologischen Klasse“ (Latour/Schultz 2022) dem Bereich bloßer Rhetorik entreißt (S. 48f.), indem er versucht, sie in ein analytisches Paradigma umzusetzen. Er wird über die Beschreibung der Mentalitäten hinaus interessant z. B. dort, wo die Forscher*innen über das objektive ökologische Interesse jener nachdenken, die „ihr Auskommen noch immer dem direkten Umgang mit menschlicher wie außermenschlicher Natur verdanken – Landwirt*innen, Förster*innen, Pflegekräfte, Erzieher*innen“ (S. 64) – und über das Fehlen entsprechender subjektiver „prekär-ökosozialer“ Mentalitäten (S. 158). Die Spekulationen dazu, unter welchen Voraussetzungen eine vierte wichtige Dimension im sozial-ökologischen „Klassenkonflikt“, welche die fortwährende Externalisierung bzw. denkbare Re-Internalisierung sozialer Kosten der Umweltzerstörung betrifft, thematisch werden könnte, gehören zu den interessantesten, angesichts der Datenlage allerdings auch am wenigsten konklusiven Passagen des Buches.

Solche weiterführenden, künftige empirische Studien hoffentlich weiter inspirierenden Spekulationen wurden und werden durch das Aufrufen des auratischen, traditionsreichen Begriffes der „Klasse“ sicher befördert. Ein Überblick über diese Tradition legt zwar nahe, dass dieses Konzept ohne das Hineinnehmen einer weltanschauliche Selbstzuordnung zum Kollektiv („Klassenbewusstsein“) nicht ausdefiniert ist (Gurvitch 1954), was Eversberg und Kolleg*innen um ihres empirisch offenen, Mentalitäten explorierenden statt determinierenden Ansatzes natürlich nicht leisten wollen (vgl. S. 162). Aber indem die Autor*innen ihren Sozialraum anhand der Kategorien Kapital und Bildung aufspannen und diese, in den Worten des im Zusammenhang mit dem Mentalitätsbegriff auch von ihnen herangezogenen Theodor Geiger, als interessenbestimmende „Produktionsmittel“ auffassen (Geiger 1932: 5), gehen sie in der Tat einen Schritt über Begriffe wie „Schicht“ oder „Lage“ hinaus. Häufig erweist sich indes die konkrete Berufsgruppe als unentbehrliche Zusatzinformation, um Befunde genauer und anschaulicher zu interpretieren – das Erwerbsklassenschema von Daniel Oesch, das von den Jenaer Autor*innen relativ schnell abgetan wird („weniger eine Klassen- als eine Berufsgruppentypologie“; S. 37), hätte hier vielleicht gute Dienste leisten können.

Cologna, V./Mede, N.G./Berger, S. (2025): Trust in scientists and their role in society across 68 countries, in Nature Human Behavior. https://doi.org/10.1038/s41562-024-02090-5

Decker, O./Kiess, J./Heller, A./Brähler, E. (2022) (Hrsg.): Autoritäre Dynamiken in unsicheren Zeiten. Leipziger Autoritarismus Studie 2022. Gießen: Psychosozial-Verlag.

Ekberg, K./Forchtner, B./Hultman, M./Jylhä, K.M. (2022): Climate Obstruction. How Denial, Delay and Inaction are Heating the Planet. London: Routledge.

Geiger, T. (1972): Die soziale Schichtung des deutschen Volkes. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.

Gurvitch, Georges (1954): Le concept de classes sociales. Paris: Centre de Documentation Universitaire.

Latour, B./Schultz, N. (2022): Zur Entstehung einer ökologischen Klasse. Ein Memorandum. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.

Mau, S./Lux, Th./Westheuer, L. (2023): Triggerpunkte. Konsens und Konflikt in der Gegenwartsgesellschaft. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.

Grothmann, T./Frick, V./Harnisch, R./Münsch, M./Kettner, S.E./Thorun, C. (2023): Umweltbewusstsein in Deutschland 2022. Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage. Dessau-Roßlau: BMUV/UBA.

Teichler, N./Gerlitz, J-Y./Cornesse, C.,/Dilger, C./Groh-Samberg, O./Lengfeld, H./Nissen, E./Reinecke, J./Skolarski, S./Traunmüller, R./Verneuer-Emre, L. (2023): Entkoppelte Lebenswelten? Soziale Beziehungen und gesellschaftlicher Zusammenhalt in Deutschland. Bremen: SOCIUM, Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt.

Von Faber, L./Fritz, M.: BioMentalitäten in Deutschland. Bericht über die Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage zu Bioökonomie und sozial-ökologischem Wandel. Working Paper Nr. 8, Mentalitäten im Fluss (flumen), Jena. https://doi.org/10.22032/dbt.57671


Manuel Rivera leitet die Forschungsgruppe „Kunst und Wissenschaft für Nachhaltige Entwicklung“ am Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit (RIFS) in Potsdam.

Email: manuel.rivera@rifs-potsdam.de

Beitrag als PDF/DOI: 10.17879/sun-2025-63573